Appell an den Gemeinderat: Keine Kürzungen umsetzen

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Der Frauennotruf appelliert mit einem Brief an den Gemeinderat der Stadt Heidelberg, die geplanten Haushaltskürzungen nicht umzusetzen.

Sehr geehrte Gemeinderät*innen,

in Anbetracht der drohenden Kürzungen möchten wir Sie an unsere Mail vom März dieses Jahres erinnern, in der wir bereits auf unsere angespannte finanzielle Lage aufmerksam gemacht haben. Die Situation hat sich inzwischen weiter verschärft:

Finanzielle Mehrbelastung 2025:

  • Aufgrund der tariflichen Erhöhung in 2024, fehlen 2025 bereits                               22.082,- €
  • Hinzukommen die tariflichen Erhöhungen in 2025                                                      14.327,- €
  • Tarifbedingtes Defizit Ende 2025                                                                                     36.409,- €
  • Zuzüglich 5% Kürzungen im Zuge der Haushaltssperre 2025                                     20.498,- €
  • Gesamtfehlbetrag 2025                                                                                                    56.907,- €

Finanzielle Mehrbelastung 2026

  • Tarifsteigerung 2026 (2,5%)                                                                                               10.249,- €
  • Gesamtfehlbetrag 2026                                                                                                    67.156,- €

Als unmittelbare Folge der Kürzungsbeschlüsse mussten wir bereits jetzt die Stelle im Projekt Frauen* mit Behinderung für November und Dezember reduzieren. Die Kollegin hat sich in diesem Jahr aufgrund der steigenden Nachfrage aus den Einrichtungen der Eingliederungshilfe nochmal gezielt im inklusiven Gewaltschutz weitergebildet. Die Expertise ist vorhanden, doch die dafür notwendigen Stunden fehlen. Deshalb kann der dazu geplante Fachvortrag am 27.11.2025 nicht stattfinden und muss ins kommende Jahr verschoben werden – in der Hoffnung, dass die Finanzierung dies zulässt.

In der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses vom 24.09.2025 wurde vom Oberbürgermeister und vereinzelnder Gemeinderät:innen geäußert, die 5%-Kürzung sei den Zuschussempfänger:innen zuzumuten. An dieser Stelle möchten wir an die letzten 47 Jahre unserer Arbeit erinnern: getragen von Ehrenamt, unzähligen Überstunden, dauerhaft untertariflicher Bezahlung und einem Engagement, das weit über das Übliche hinausgeht. Der Frauennotruf hat seinen Beitrag mehr als erfüllt!

Damit wir unser breit gefächertes und spezialisiertes Angebot in Beratung und Prävention aufrechterhalten können, benötigen wir zwingend die im Doppelhaushalt vorgesehene Zuschusserhöhungen. Ohne diese müssen wir Angebote streichen, unsere Erreichbarkeit reduzieren und verlieren evtl. qualifiziertes, über Jahre in das komplexe Thema sexualisierte Gewalt eingearbeitetes Fachpersonal. Und das in einer Zeit des Fachkräftemangels und während wir uns zugleich auf das Gewalthilfegesetz 2030 vorbereiten, das jeder betroffenen Person eine wohnortnahe, spezialisierte Beratung garantieren wird!

Die Notwendigkeit unserer Arbeit ist unstrittig und zeigt sich täglich in den Fallzahlen:

  • Mehr als jede 2. Frau* erlebt sexualisierte Übergriffe im Laufe ihres Lebens. Das sind hochgerechnet auf Heidelberg allein 35.000 Betroffene.
  • Monatlich beraten wir allein 1-2 junge Frauen*, die in der Heidelberger Altstadt vergewaltigt wurden.
  • Im Jahr 2024 begleiteten wir 121 Frauen*, die in der Kindheit schweren sexuellen Missbrauch erlebt haben (detaillierte Fallzahlen entnehmen Sie bitte der beigefügten Statistik).
  • Gleichzeitig sind Frauen* mit Behinderung, migrantische Frauen* oder LINTA*s signifikant häufiger von sexualisierter Gewalt betroffen als der Bevölkerungsdurchschnitt.

Das sind Dimensionen epidemischen Ausmaßes, wie wir es sonst nur von Volkskrankheiten kennen. Trotz dieser Realität gilt unsere Arbeit nicht als „Daseinsvorsorge“, sondern als „freiwillige Leistung“. Das ist ein Skandal!

Sexualisierte Gewalt gegen Frauen, Mädchen und LINTA*-Personen ist Alltagsrealität. Staat und Kommunen haben dabei einen klaren Schutzauftrag für ihre Bevölkerung: Schutz bedeutet Unterstützung, Prävention und Solidarität. Dafür braucht es stabile Strukturen und spezialisierte, erfahrende Einrichtungen wie unsere.

Wir appellieren daher an Ihre politische Verantwortung, die Haushaltseinsparungen nicht auf dem Rücken derjenigen auszutragen, die auf unsere besondere Unterstützung angewiesen sind:

  • Setzen Sie die 5%-Kürzung nicht um.
  • Bitte erhalten Sie die Zuschusserhöhungen wie im Doppelhaushalt vorgesehen.
  • Halten Sie unseren Vertrag mit der Stadt Heidelberg aufrecht.

Wir danken Ihnen für Ihr Engagement und ihre Aufmerksamkeit. Wir stehen jederzeit für Rückfragen oder weiterführende Gespräche zur Verfügung.

Freundliche Grüße

Kartons mit Logos der beteiligten Vereine und deren Forderungen bei der Kundgebung am 27.11.2025; aufgebaut als Pyramide

Protest der Heidelberger Frauen-AG am 27.11.2025 gegen die geplanten Haushaltskürzungen